Abschiedsbriefe


Immer noch erreichen uns viele heilsame, tröstende und aufmunternde Worte. Aber auch wir haben viele Worte übrig, welche alle raus müssen.

 

Sollte sich hier jemand noch angesprochen fühlen und sich verewigen wollen, gerne eine E-mail an gruener-elefant@gmx.net


Nachruf des besten Ehemannes von Welt, per E-Mail an seine Kollegen

 

Richard Magnus Wolfram

 * 14.07.2014

 + 01.12.2017

 

Am letzten Freitag um 13:20 Uhr ist unser Sohn Richard nach kurzem und schwerem Krebsleiden in unseren Händen gestorben.

 Keine Worte drücken unsere Verzweiflung, Wut, Traurigkeit und zugleich Erleichterung, Freude und Liebe über sein Leben aus. Wir werden ihn für immer vermissen. Er war 3 Jahre und 4 Monate alt.

 

Ich schreibe diesen Nachruf, da der Tod genau wie die Geburt zum Leben gehört und ich als Papa immer unendlich stolz auf unseren Richard sein werde, auch wenn er nun nicht mehr bei uns ist.

 Zudem möchte ich nicht allzu oft die gleichen Fragen beantworten und zu viele Gerüchte im Buschfunk vermeiden.

 Diejenigen, die mich bzw. Richard nicht kennen, bitte ich um Nachsicht.

 Lest bitte nur weiter, wenn es sich für Euch richtig anfühlt.

 

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Der letzte Monat war der dramatischste unseres Lebens. Wir durchlebten kaum fassbare Gefühle in kürzester Zeit: Schock, Angst, Hoffnung, Verzweiflung, Hilflosigkeit, Dankbarkeit. Das Leben schien für uns still zu stehen.

 

Wir sind unendlich traurig über das, was wir verloren haben. Und zugleich unendlich dankbar über die wundervolle Zeit, die wir mit Richard hatten.Er hat uns gelehrt, dass jede Sekunde zählt mit den Menschen die man liebt. Und sagt euch immer dass ihr euch lieb habt! Geduld und das Genießen des Augenblicks ist wichtiger als große Pläne.

 

Neben dem großen Leid das wir erfahren mussten, haben wir so viele gute und schöne Erinnerungen, von denen ich einige mit Euch teilen möchte.

 

Wie alle Eltern waren wir sehr stolz auf Richard. Er war das hübscheste Kind, was natürlich eine rein subjektive Wahrnehmung aller Eltern ist. ;-)

 

Zugleich war er bereits sehr groß (109 cm), was zu der kuriosen Situation führte, dass er beim Wechsel von der Krippe in die mittlere Kindergartengruppe in dieser Gruppe der Größte war.

Aber für einen Jungen ist das nicht von Nachteil, vor allem wenn man in der Kita mal mit älteren spielen will.

 

Mit gerade 2 Jahren begann er sich für Zahlen und Buchstaben zu interessieren. Angefangen hat es mit Autokennzeichen, bei denen er immer stehen blieb, mit dem Finger zeigte und fragte, was das für ein Zeichen das ist. Mit 3 kannte er dann alle Buchstaben - die großen und die kleinen - und konnte die meisten zweistelligen Zahlen lesen. Wenn wir ins Auto einstiegen, teilte er uns zuverlässig seinen Musikwunsch mit: „Papa, ich möchte bitte die 36 hören“. Das war auf dem USB-Stick die Nummer des Songs „Illusion“ von VNV-Nation. Soweit er konnte, sang er dann mit.

 

Und wie stolz ich war, als er mich noch im Oktober fragte: „Papa, warum steht da eine einhundertfünfundreißig an Deinem Auto?“ Ich hätte zu gern miterlebt, wie er zu lesen beginnt.

 

Mit Richard war es nie langweilig. Er hat jeden Quatsch mitgemacht und sich jeden frechen Spruch und jedes Schimpfwort gemerkt, um es an passender oder unpassender Stelle selber anzubringen.

So konnte es schon mal passieren, dass er eine Situation beim Abendbrot mit „Ich krieg die Krise“ kommentierte.

Durch kleine Fehler im Satzbau sind auch einmalige Zitate entstanden: „Mama, der Vogel hat einen Schwanz im Po. - Am Po, Richard, am Po!“ Und am Frühstückstisch bat Richard die Mama. „Zündest Du bitte die Katze an? - Die Kerze, mein Schatz!“

Keiner weiß warum aber Fremdwörter hatten es ihm angetan. Alles was er noch nicht verstand und lustig klang wurde wiederholt, wie z.B. „Substitut und Institut“, „definitiv“ und „intelligent“. Auch stellte er fest: „Pittiplatsch hat keine Phantasine“

 

Bereits als Säugling bemerkten wir, dass er bei manchen Dingen eigen war. Als er sich im Alter von einigen Wochen nicht beruhigen lassen wollte - egal wer ihn in welcher Haltung trug oder schaukelte - schlug Papa vor: legen wir ihn doch einfach mal hin. Und es war Ruhe.

 

Als Kleinkind hatte er dann einen starken Charakter und konnte sehr stur sein. Bei Diskussionen mit ihm war volle Überzeugungskraft gefragt. Er überraschte einen aber auch, z.B. wenn er nachmittags mal fernsehen durfte und dann nach einer Weile aufstand und sagte: „Mama, kannst ausmachen, ich geh spielen“.

 

Der Abschied vom Nuckel am 3. Geburtstag machte uns vorher einige Sorgen, denn er ließ sich nicht dazu überreden, den Nuckel vorher mal probehalber beim Schlafen weg zu lassen. Nur eine Vereinbarung, dass der Nuckel am 3. Geburtstag gehen muss, war möglich. Und als der 3. Geburtstag kam ging der Nuckel und Richard hat nicht einmal wieder danach gefragt. Hat man Worte.

 

Er hat uns arme müde Eltern früh meist recht lange schlafen lassen und blieb auch gern noch eine ganze Weile im Bett liegen, hörte (richtige) Musik und schaute dazu Bücher an.

Bücher hatten es ihm überhaupt sehr angetan. Nach dem morgendlichen Zähneputzen durfte bei der „geschäftlichen Sitzung“ ein Buch nicht fehlen - meist ein Kinderlexikon mit vielen Bildern. Da blieb er dann auch oft eine halbe Stunde sitzen, bis er vom Sitz einen roten Ring am Pops hatte.

 

Er war trotzdem kein Bücherwurm. Klettern, Buddeln, Ball spielen - er hat alles mitgemacht.

Seitdem er mit seinem Laufrad richtig umgehen konnte, waren auch lange Spaziergänge kein Problem mehr und wir waren froh keinen sperrigen Buggy mehr im Kofferraum zu brauchen.

 

Wir liebten sein Lachen und seine verrückten Ideen. Seine Kastanienpommes mit Erdbeersoße.

Sein Durst auf das Leben. Sein Singen. Seine wilden und bunten Lego-Häuser und Eisenbahnstrecken - auch wenn sie statisch etwas fragwürdig waren.

In seinen Kreidekritzeleien konnte man mit der Zeit schon gewisse Formen erkennen.

 

Er war immer sehr liebevoll. Mama, Papa, Brüder, Oma und Opa und der Hund - alle mussten zu gewissen Zeiten ausreichend beschmust werden. Ich werde nie das Gefühl vergessen, wie er abends auf meiner Brust lag und wir eine Gute-Nacht-Geschichte angeschaut haben.

 

Einen Monat nach seinem 3. Geburtstag traten dann erste Symptome auf die, wie wir erst viel später erfuhren, von einem Hirntumor herrührten.

Ende Oktober wurde Richard dann schwer krank. Wir vermuteten erst einen Infekt gingen aber nach einer Woche in die Uniklinik und die Diagnose traf uns wie ein Schlag. Der große Tumor zwischen Kleinhirn und Hirnstamm wurde zwar operativ entfernt aber die bereits starken Schädigungen und das schnelle Wachstum ließen kaum Hoffnung. Nach 4 Wochen in der Klinik war er erlöst.

 

Er war der wundervollste Mensch, der mir bisher begegnet ist. Wir werden lange und immer wieder trauern aber uns auch an all die schönen Momente mit ihm erinnern. Er hat unser Leben so viel besser gemacht.

Es gibt keine Anleitung mit so einer Situation umzugehen und keinen richtigen Weg um so einen Verlust zu verarbeiten. Wir machen es einfach so, wie Richard es getan hätte - nicht zu lange darüber grübeln sondern einfach weitermachen und es versuchen.

 

In ewiger Liebe.


Mein Nachruf zu seiner Beerdigung am 12.12.2017

 

Trifft man sich sonst auf Trauerfeiern, so feiert man tatsächlich – nämlich ein langes und erfolgreiches Leben. Leider ist uns das heute, hier nicht  vergönnt.

 Wir alle haben unseren Richard verloren. Wir haben unseren Sohn verloren. Ich habe meinen Sohn verloren. Und so bleibt es mir nur, sein kurzes Leben zu feiern und unendlich dankbar zu sein, dass mir das Leben dieses wunderbare Wesen geschenkt hat.

 

Richard war immer der Schönste und Größte – natürlich aus unserer ganz objektiven Sicht als Eltern aus. Ich liebte sein Lächeln, seine großen blauen Augen, seine langen Wimpern, seinen schönen und kräftigen Körper. Ich war stolz darauf, dass er so groß an Wuchs war!

Natürlich war er auch der Klügste. Er kannte schon alle Buchstaben, die großen und die kleinen. Er liebte Zahlen und war ganz begeistert von so vielen komplizierten Worten die alle miteinander zu tun haben. Er war gerade dabei die dreistelligen Zahlen zu lernen.

Er merkte sich alle komplizierten oder außergewöhnlichen Worte – definitiv, intelligent, Substitut – und brachte sie an allen passenden und unpassenden Stellen an.

Er war großzügig und liebevoll. Er teilte immer seine Schokolade mit mir. Und ich bekam öfter, einfach so, ein Küsschen aufs Näschen.

Er stellte mich immer wieder in Frage. Er war ein eigener Charakter, eine große Persönlichkeit in einem noch kleinen Körper, ein Mensch noch ohne Vorurteil.

 

Ich habe nicht nur meinen Sohn verloren, sondern auch meinen besten Freund und meinen größten Vertrauten.

Ich bin trotzdem unendlich dankbar, dass es ihn in meinem Leben gegeben hat. Er hat mich geduldiger gemacht und selbstloser. Er hat mir gezeigt, wie tief wahre Liebe reicht. Und was sie alles wieder heilen kann. Er war der beste Mensch den ich kannte und er hat mich verändert, weil ich es wollte – für ihn.

 All das wird mir und uns für immer bleiben. Ebenso die Erinnerung an anstrengende und wunderbare Jahre – und an unsere große Liebe.

 

Liebe Familie, liebe selbstgewählte Familie, Freunde und alle anderen Menschen: vielen Dank, dass ihr in dieser schweren Stunde bei uns steht und uns so sehr helft, unseren Schmerz zu tragen. Worte können nicht ausdrücken, wie sehr es uns hilft von euch allen zu wissen, dass ihr einfach da seid.

 

Ich möchte mit einem Sprichwort enden, die Herkunft ist unbekannt:

Wer ohne Kinder lebt, der weiß von keinem Leid. Wer ohne Kinder stirbt, der weiß von keiner Freude.


Abschiedsbrief von der komischen Tante Annika ♥

 

Richard,
ich weiß noch, wie es angefangen hat. Ich saß bei uns auf dem Sofa und habe mit deiner Mama geschrieben, warum sie denn im Krankenhaus liegt. Sie hat mir verraten, dass sie schwanger ist mit dir und ich konnte nichts anderes mehr außer weinen vor Freude. Ich kannte dich zwar noch nicht, aber ich wusste du wirst etwas Besonderes.
Du hast mich in so vielen Momenten geprägt und mir so wunderbare Erinnerungen mitgegeben. Ich wünschte es wären mehr geworden, aber ich verspreche dir, dafür werde ich sie umso mehr in Erinnerung behalten.
Eine davon ganz besonders, als ich dich letzte Woche noch besucht habe und du mir gesagt hast, dass es dir besser geht und du mit mir gelacht hast. Als ich dich auf dem Arm hatte und in dein Bett getragen habe und als du vor deinem Mittagsschlaf deiner Mama gesagt hast, dass du sie ganz doll lieb hast.
Du hast mir so viel Schönheit in den kleinen Dingen gezeigt, z. B. als wir zusammen im Sandkasten saßen und du mir ein Sandeis gemacht hast oder mir eines deiner Kuscheltiere gegeben hast, damit wir zusammen auf deinem Fußboden nochmal kurz die Augen zu machen konnten bevor deine Eltern sich das Ja-Wort gegeben haben.
Du hast so viele Menschen um dich herum begeistert und wenn es einfach deine neuen Spielsachen waren, die du mit allen geteilt hast und wir zusammen bauen konnten.
Du bist der kleinste große Kämpfer, den ich jemals gesehen habe. Ich verspreche Dir auch weiterhin mit dem tollsten Neffen der Welt anzugeben und der ganzen Welt zu sagen, wie wunderbar und schlau du warst und ich werde jeden sagen, dass du bis zum Schluss gekämpft hast und immer weiter probiert hast.
Ich weiß, dass du erlöst sein wirst und dass du im Himmel sein wirst. Pass bitte auf uns auf und ganz besonders auf deine Mama und dein Papa, die brauchen es gerade am meisten.
Ich bin stolz darauf sagen zu dürfen, dass ich deine Tante bin. Du hast mich verändert und du hast mich zu einem besseren Menschen gemacht. Ich werde dich in meinem Herzen tragen. Mein Leben lang.
Ich hab dich ganz doll lieb.
deine Tante Annika